Der Vorstand der im Februar 2017 gegründeten German Labour History Association (GLHA) hatte zu diesem Treffen eingeladen, um über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Gekommen waren rund 40 KollegInnen aus dem Bundesgebiet. Nach einer Vorstellungsrunde erläuterte Stefan Berger (Bochum) die Hintergründe der Vereinsgründung. Im Rahmen der halbjährlichen Kolloquien zur Geschichte der Arbeitswelten war die Idee auf Anregung von Marcel van der Linden aufgegriffen worden, eine GLHA zu gründen. In den letzten Jahren waren in vielen Ländern und Regionen Vereinigungen von Historikerinnen und Historikern ins Leben gerufen worden, die sich mit Arbeiterbewegung, Arbeitswelten und sozialen Bewegungen beschäftigen. Auch um „international sprechfähig“ zu sein, sollte die GLHA für den deutschsprachigen Raum diesen seit einigen Jahren wieder verstärkten Forschungstrend unterstützen. (§2, 2 der Satzung, Vereinszweck: „Der Zweck des Vereins ist die Förderung von Forschung, Präsentation, Dokumentation und Bildungsarbeit zur Geschichte der Arbeit und der Arbeiterbewegung sowie aller sozialer Bewegungen. Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch die ideelle und materielle Förderung von Tagungen, von Forschungsprojekten, von musealen und archivischen Vorhaben sowie Maßnahmen der außerschulischen, schulischen und universitären Bildung über die Geschichte der Arbeit, der Arbeitswelten, der Arbeiterbewegung und der sozialen Bewegungen. Der Verein will durch eine effektive Netzwerkbildung mit anderen Labour History Vereinen den internationalen Austausch im Bereich der Labour History fördern.“)
Die Gründung des Vereins aus einem kleinen Kreis heraus geschah, um formale Fragen (u.a. Gemeinnützigkeit, Steuerfragen) vorab zu klären. Der englischsprachige Name wurde aus Gründen der internationalen Sichtbarkeit gewählt, aber auch aufgrund des Mangels an einem passenden deutschsprachigen Äquivalents für „labour“. Auf der ersten großen Mitgliederversammlung, die für das erste Halbjahr 2018 geplant ist, können dann offene Fragen sowie konkrete Arbeitsaufträge des Association bearbeitet werden. Das Treffen am 12. Januar sollte nun dazu dienen, die GLHA zur Diskussion zu stellen.
Anschließend berichtet Marcel van der Linden (Amsterdam) über ähnliche Vereinigungen in der gesamten Welt. Er beobachtet drei Erweiterungen in der Labour History:
- zeitlich, in dem Forschungsprojekte zur Arbeitswelt teilweise bis in die Frühe Neuzeit zurückgehen,
- räumlich, da nun nicht mehr Europa im Vordergrund steht,
- begrifflich, weil unter Arbeit nicht mehr nur Industrie- bzw. Lohnarbeit verstanden wird, sondern mit weiterreichenden Definitionen einschließlich Reproduktionsarbeit oder Sklavenarbeit gearbeitet wird. (Die Charts von Marcel van der Linden befinden sich im Anhang)
Marcel van der Linden wies auch auf Nachfrage auf die fünf wesentlichen Tätigkeitsprofile der Vereinigungen hin: a) in der Regel führen die bestehenden Vereinigungen Konferenzen durch; b) fast alle betreiben eine Website, die aber Zeit und Geld kostet; c) einige Vereinigungen geben Zeitschriften heraus bzw. haben teilweise bestehende Zeitschriften übernommen; d) vereinzelt werden Buchreihen herausgegeben; e) es werden Pläne für Themen und Projekte entwickelt und in die Forschungsdiskussion eingebracht.
Am Nachmittag sprach Rita Müller (Hamburg) über Museen zur Technik- und Arbeitsgeschichte. Nach ersten Anfängen in Arbeitsschutzausstellungen entstanden seit den 1970er-Jahren Museen vorrangig zur Industriekultur. Anfang des neuen Jahrtausends zeigten sich aber auch in diesem Bereich gewisse Krisenerscheinungen. So geriet die Fokussierung auf Industriekultur in die Kritik, zudem machen die „Science Center“ mit naturwissenschaftlicher Ausrichtung den Museen Konkurrenz. In der Fachgruppe im Deutschen Museumsbund zur Industriekultur sowie auf internationaler Ebene im Worklab (The International Association of Labour Museums, http://worklab.info/) werden neue Perspektiven diskutiert. In der Tendenz sollen die Museen sich stärker in die öffentliche Debatten auch um die zukünftige Gestaltung der Arbeit einbringen, ebenfalls wird dort ein erweiterter Arbeitsbegriff verwendet. Die Diskussionen um Inhalte und Methoden ähneln sich denen in den Labour-History-Vereinigungen.
Diskussion
Die Ergebnisse der Diskussion sind hier thematisch zusammengefasst und nicht chronologisch wiedergegeben. Allgemein wurde die Initiative zur Gründung der GLHA begrüßt.
- Die Erweiterung des Arbeitsbegriffes wurde in der Regel unterstützt, allerdings auch auf die Notwendigkeit von Definitionen hingewiesen.
- Räumliche Ausweitung/Verhältnis nationale/globale Themen: Einigkeit bestand, dass eine Beschränkung auf eine nationale Geschichtsschreibung nicht erwünscht ist. Allerdings zeigte sich die Spannbreite im Adressatenkreis: Sollte eher auf internationalen Austausch der Forschung gezielt werden oder sollten lokale Geschichtsakteure angesprochen werden? Im ersten Fall würde man englischsprachige Konferenzsprache durchführen müssen. Da die GLHA eine Vereinigung für den deutschsprachigen Raum sein sollte und die weltweiten Vereinigungen als regionale Verbände operieren, sollte aber die Organisierung der ForscherInnen aus dem deutschsprachigen Raum im Vordergrund stehen. Eine thematische Begrenzung der Untersuchungsräume wurde damit aber nicht verbunden.
- Adressatenkreis: Neben ForscherInnen sollten auch andere wissenschaftliche Einrichtungen wie Archive und Museen angesprochen werden (siehe Vortrag Rita Müller), Archive und Museen waren auch durch mehrere TeilnehmerInnen vertreten. Auch geschichtspolitische Akteure aus lokalen Vereinen, der gewerkschaftlicher Bildungsarbeit etc. sind potentielle AnsprechpartnerInnen für die GLHA. Interdisziplinäre Zugänge, so z.B. durch Literaturwissenschaft und ihrer Auseinandersetzung um Arbeit, sollten ebenfalls Raum finden. Es wurde aber auch davor gewarnt, allzu viele Erwartungen und Vorstellungen zu formulieren im Sinne einer Wunschkiste, die dann nicht umgesetzt werden kann. Angestrebt wird eine disziplinäre und thematische Offenheit, mit der Vernetzung unter Interessierten an Labour History erreicht werden kann. Daher ist die Priorität praktisch zu erproben, was die GLHA leisten kann. Bisher bestehen die Ressourcen in den Mitgliederbeiträgen und sind überschaubar. Zwischen einfacher Vernetzung, Nachwuchsförderung und wissenschaftspolitischer Positionierung liegt das Spannungsfeld einer solchen Vereinsstruktur. Welche den Verein prägen wird, muss sich erweisen.
- Nachwuchsförderung: Mehrfach wurde die Frage angesprochen, ob die GLHA Nachwuchsförderung plane. Gerade bei neuen Projekten im Feld der Labour History fehle oft die Orientierung, die die GLHA zumindest grob geben könne. Ebenso wurde angeregt, in die Vereinsstruktur Nachwuchsförderung zu verankern. Es wurde aber auch darauf verwiesen, dass das Spannungsfeld zwischen „Etablierten“ und „Nachwuchs“ nicht in einem Gap von befristeter und unbefristeter Beschäftigung liege und Labour History an Universitäten nur selten fest etabliert ist. Gegen die explizite Formulierung der Nachwuchsförderung sprach auch, dass so eine inhaltliche Hierarchisierung vorgenommen werde. Stattdessen sind bereits viele der existierenden Veranstaltungen gerade auch für Präsentationen von Nachwuchsforschung konzipiert und nehmen hier keine Unterschiede vor (Konferenzen Neue Gewerkschaftsgeschichte, Kolloquien zur Geschichte der Arbeitswelten). Ferner sind Interessierte an Labour History auch nicht unbedingt promoviert (z.B. die TeamerInnen in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit). Die Bedeutung, gerade der prekären Beschäftigungsverhältnisse vieler ForscherInnen, wurde unterstrichen und sollte Berücksichtigung finden.
- Konferenz: Es zeigte sich in der Diskussion sehr schnell, dass als nächster großer Schritt eine Konferenz geplant werden solle, Zeitraum zweite Hälfte 2019. Diese Konferenz sollte eine Art Bestandsaufnahme von Forschungen und Aktivitäten zur Labour History bilden und möglichst offen konzipiert werden. Sie soll als öffentlicher Startschuss fungieren, um Labour History zu etablieren.
- Website: Eine möglichst aktuelle Homepage sollte als Austauschforum genutzt werden, auch weil von Interessierten in der Regel das Internet befragt wird. Es existiert eine erste Version (wordpress) einer GLHA-Homepage, auf der bereits Ankündigungen zu finden sind, sowie die Satzung und Mitgliedsanträge. Ein Ausbau sollte angestrebt werden. Neben Rundmails dient die Homepage als Informationsanlaufstelle, sie wird zurzeit von Stefan Müller betreut.
- Mitgliederversammlung: Der Vorstand ruft zum Sommer 2018 eine Ordentliche Mitgliederversammlung ein (Termin steht noch nicht fest, evtl. im Umfeld einer entsprechenden Tagung). Diese wird mindestens folgende Punkte behandeln:
- Gremienwahlen
- Tagungsvorbereitung 2019 (wann, wo, CfP)
Der Vorstand wird die Vorbereitungen aufnehmen; dieses Protokoll wird als Rundmail an alle Mitglieder und TeilnehmerInnen des Bochumer Treffens verschickt sowie ins Netz eingestellt.
Für den Vorstand der GLHA, 25. Januar 2018
Knud Andresen, Stefan Berger, Michaela Kuhnhenne, Stefan Müller, Thomas Welskopp
Ein Gedanke zu „Bericht vom Treffen „Vom Nutzen einer German Labour History Association“ in Bochum am 12.1.2018“